BUNDjugend  

Nuklearkatastrophen – Tschernobyl und Fukushima

Tschernobyl

Was ist passiert?
Am 26. April 1986 kam es im Atomkraftwerk von Tschernobyl zum bisher schwersten Unfall in der Geschichte der Kernenergie. Am 25. April 1986 startete die Reaktormannschaft in Block 4 des Atomreaktors von Tschernobyl eine Versuchsreihe. Es sollte überprüft werden, ob bei einem Stromausfall mithilfe des Notstroms trotzdem weiter Strom laufen würde. Der Reaktor sollte während des Versuchs in Betrieb bleiben. Notkühlsystem und Sicherheitssysteme wurden ausgeschaltet, die Leistung des Reaktors verringert. Doch dann gab es Komplikationen und schließlich stieg die Leistung des Reaktors ungewollt sehr schnell sehr stark an, um das 100-fache der eigentlichen Leistung. Zwei Explosionen zerstörten einen der vier Reaktorblöcke und radioaktives Material gelang in die Atmosphäre. Große Teile Russlands, Weißrusslands und der Ukraine wurden verseucht. Eine radioaktive Wolke zog sich bis nach Mitteleuropa und zum Nordkap.

Etwa 400.000 Menschen halfen bei den Aufräumarbeiten von Tschernobyl. Es waren so viele, weil niemand lange dieser hohen Strahlung ausgesetzt werden sollte. In nur zwei Minuten war die zulässige Jahresmenge an Strahlung erreicht. Die Roboter, die für die Aufräumarbeiten eingesetzt werden sollten, blieben einfach stehen, weil die Elektronik durch die Strahlung versagte.

Was sind die Folgen?
135.000 Menschen mussten wegen zu hoher Strahlenbelastung umziehen. Weitere 300.000 folgten, weil die 30 Kilometer lange Sperrzone mitten durch Dörfer verlief. Die Stadt Pripjat, die in der Nähe von Tschernobyl liegt, ist bis heute verlassen. Auch nach 1990 wurden an einigen Stellen so hohe Strahlendosen gemessen wie im direkten Umkreis des Reaktors. In der Nähe der weißrussischen Stadt Gomel wurde deswegen nachträglich eine Sperrzone eingerichtet. Die Bewohner*innen hatten fünf Jahre lang ahnungslos dort gelebt.

134 Arbeiter*innen in Tschernobyl bekamen direkt nach dem Super-GAU extrem viel Radioaktivität ab. 28 von ihnen starben in den ersten vier Monaten an den Folgen der Strahlenkrankheit: innere Blutungen, Geschwüre und Organversagen. Bis heute gibt es sehr unterschiedliche Zahlen zu den Tschernobyl-Opfern. Während die Internationale Atomenergieorganisation von 9.000 Todesfällen spricht, geht die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW (zu deutsch: Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges) bis ins Jahr 2056 von ca. 240.000 zusätzlichen Krebstoten aus.

In Deutschland und anderen europäischen Ländern herrschte nach dem Unfall große Angst vor Radioaktivität, die ins Land kommen könnte. Es wurden tatsächlich höhere Werte an Radioaktivität gemessen, vor allem in Süddeutschland. Die Strahlung war durch Wind und Wolken nach Deutschland gewandert. Produkte wie Milch wurden aus Vorsicht nicht getrunken, da das Futter von Kühen verseucht gewesen sein könnte. Viele Ernten konnten nicht verkauft werden, weil sie wegen der Strahlung gesundheitsschädigend waren. Es gab große Verunsicherungen, wie die Frage, ob sich Kinder länger draußen aufhalten sollten. Noch heute sind 52 Prozent der erlegten Wildschweine im Unterallgäu radioaktiv verseucht und dürfen nicht verzehrt werden.

Durch Tschernobyl wurde auf der ganzen Welt das Bild von der starken Atomkraft erschüttert. Es wurde zum ersten Mal so richtig deutlich, wie hochgefährlich die Atomkraft sein kann. Weltweit wurden viele Menschen zu Atomkraftgegner*innen, in Deutschland bestärkte der Vorfall die Anti-Atom-Bewegung.

Fukushima

Was ist passiert?
Am 11. März 2011 erschüttert das bisher stärkste Erdbeben Japan. Auf das Beben folgt eine riesige Tsunami-Welle. 14 Meter hohe Wellen zerstören die Notstromversorgung im Kernkraftwerk Fukushima. Daraufhin fällt die Reaktorkühlung aus und die Reaktoren überhitzen. Am nächsten Tag setzen Kernschmelzen in drei Reaktoren des AKWs Fukushima ein. Alle Menschen im Umkreis von 20 Kilometern um das Kraftwerk werden evakuiert. Die Strahlung im Atomkraftwerk steigt auf das Tausendfache des normalen Wertes. In allen drei Reaktoren kommt es deshalb zur Kernschmelze. Explosionen in den Blöcken 1 bis 4 zerstören die Gebäudehüllen. Ende März 2017 wurden Teile der Sperrzone der naheliegenden Stadt wieder für bewohnbar erklärt. Nur etwa 17 Prozent der damaligen 18.500 Bewohner*innen möchten in die alte Heimat zurückziehen.

Was sind die Folgen?
Um eine Vorstellung von dem Maß an Radioaktivität zu kriegen, die freigesetzt wurde: Täglich werden hunderte Tonnen Wasser in die zerstörten Reaktorblöcke gepumpt, damit die Kerne gekühlt werden. Ohne diese Maßnahme würden die Temperaturen wieder ansteigen und es würden weitere Kernreaktionen stattfinden. Im Februar 2017 wurden im Inneren von Block 2 pro Stunde 530 Sievert gemessen – für Menschen ist diese Dosis in kurzer Zeit tödlich.

Direkt nach der Katastrophe wurden 470.000 Menschen evakuiert, 180.000 von ihnen sind bis heute nicht zurückgekehrt: Sie wollen oder dürfen nicht. Die Evakuierung war eine gute Sicherheitsmaßnahme gegen die radioaktive Strahlung. Trotzdem gab es Fälle, wo Menschen nicht evakuiert wurden. Und von den Menschen, die ihr Zuhause verlassen mussten, wurden manche zu früh wieder in die betroffenen Gebiete zurück entlassen. Durch den Wind gelangte radioaktiv verseuchte Luft in weitere Teile des Landes. In Wasser, Boden und Tieren lässt sich Radioaktivität nachweisen. 9 Millionen Kubikmeter radioaktive Erde liegt, eingepackt in Plastiksäcke, an den unterschiedlichsten Orten. Es gibt derzeit keinen Plan, wo dieser Atommüll sicher gelagert werden kann. All das erhöht die Radioaktivität, der die Menschen ausgesetzt sind, und das wird die Krebsfälle erhöhen. Bei Kindern in Japan treten zunehmend Erkrankungen an der Schilddrüse oder Schilddrüsenkrebs auf. 2017 waren es statistisch gesehen 13,4 Fälle von Schilddrüsenkrebs pro 100.000 Kinder. Vor 2011 waren es 0,35 Fälle pro 100.000 Kinder pro Jahr – Schilddrüsenerkrankungen sind also um das 38-fache gestiegen.

In Deutschland liegt der Grenzwert für die Aufnahme radioaktiver Strahlung bei 1 mSv pro Jahr. Die japanische Regierung hat nach der Katastrophe beschlossen, den Grenzwert von 1 auf 20 mSv pro Jahr anzuheben.

Der Super- GAU von Fukushima führte dazu, dass Deutschland beschloss, bis 2022 aus der Atomkraft auszusteigen, d.h. alle AKWs herunterzufahren und zurückzubauen. In Japan wurden zwar nach der Katastrophe alle 54 Reaktoren in den 17 Atomkraftwerken abgeschaltet – aber nur vorübergehend. Immer mehr AKWs sollen wieder hochgefahren werden, obwohl Umfragen zufolge die Mehrheit der japanischen Bevölkerung gegen den Neustart sind. Jedoch meint die Regierung, dass die Atomkraft für Japan unverzichtbar sei. Einige dicht bewohnte Regionen wie Osaka und Kyoto würden sogar zu 50 Prozent von Strom aus AKWs versorgt werden. Außerdem sind die Preise für andere fossile Brennstoffe so hoch, dass es Japan wirtschaftlich schaden würde.