Der Koalitionsvertrag.
Unsere Ersteinschätzung des Koalitionsvertrags. Verschaffe dir einen Überblick über die Vorhaben der neuen Bundesregierung.
Der Koalitionsvertrag der CDU/CSU und SPD steht seit letzter Woche und wird seither heißt diskutiert. Auch von uns im Bundesverband. Wir haben uns den Vertrag angeschaut und für euch die für unsere Arbeit wichtigsten Themen herausgearbeitet. Spoiler: Wir sind enttäuscht.
Kinder & Jugend
- Es soll ein zunächst freiwilliger Wehrdienst nach schwedischem Vorbild eingerichtet werden.
- Aufstockung des KJP zur Förderung von Kinder- und Jugendarbeit um 10%
- Jugendbeteiligung in nationalem Kinder- und Jugendgipfel
- Führerschein machen soll günstiger werden
- Bafög soll erhöht werden
- Evaluation des Wahlalters mit Option zur Herabsetzung auf 16 Jahre
- Investitionen in Junges Wohnen für Auszubildende und Studierende
Zum Ernst nehmen junger Menschen gehören auch Ausbau von Entwicklungszusammenarbeit und Klimaschutz!
Klima & Umwelt
- Klima gehört nicht mehr zum Wirtschaftsministerium
- Das sog. Heizungsgesetz (GEG) soll abgeschafft und neu aufgesetzt werden
- Dt. Lieferkettengesetz soll abgeschafft werden
- Keine Beschleunigung der Endlagersuche
- Verschlankung des Umwelt-Informationsgesetzes
- EU-Emissionshandel soll Kerninstrument bleiben, CO2-Abscheidung und -lagerung
- Einschnitte im Artenschutz und der Ausgleichsregelung für Naturzerstörung
- Gaskraftwerke und LNG sollen ausgebaut werden
- Freiwilligkeit von Unternehmen soll Standard beim Umweltschutz bleiben
- Steuergeschenke für klimaschädliche Autos
- Sonderrahmenplan Naturschutz und Klimaanpassung
- Zusage an nationale Wasserstrategie
Bürgergeld
Die Neue Grundsicherung sieht u.a. Totalsanktionen für Menschen vor, die wiederholt angebotene Arbeit ablehnen. Dabei spielt keine Rolle, ob die Personen chronisch krank, alleinerziehend oder pflegend sind.
Durch den Vermittlungsvorrang können auch sehr schlecht bezahlte oder gar nicht zum bisherigen Berufsweg passende Arbeitsplätze aufgedrängt werden können. Helena Steinhaus, Gründerin von Sanktionsfrei e.V., befürchtet in der Kombination aus Sanktionen und Vermittlungsvorrang, dass das Recht auf freie Berufswahl faktisch ausgehebelt werden könnte. Sie spricht von einem geplanten „Entrechtungs- und Verelendungssystem“.
Auch der Wegfall des Schonvermögens und die Änderung der Berechnungsgrundlage tragen dazu bei.
Bürger*innenrechte
- 3 Monate anlasslose Vorratsdatenspeicherung von Kommunikationsdaten aller Bürger*innen
- Einsatz von Staatstrojaner für Bundespolizei
- Algorithmische Auswertung großer Datenmengen rund um Straftaten
- Biometrische Internetfahndung und Überwachung mittels KI
- mehr Austausch sensibler Daten zwischen Polizeien und Behörden
- fehlende Unterstützung für Verschlüsselungstechnologien
Schwangerschaftsabbrüche
Der Paragraf 218 soll nicht wie gehofft abgeschafft werden. Der Abbruch einer Schwangerschaft bleibt also eine Straftat und die Selbstbestimmung von Gebährenden beschnitten.
Interessant an der Formulierung im KV ist die Betonung des Schutzes des ungeborenen Lebens – nicht aber der Schutz der schwangeren Person.
Emanzipatorische Politikansätze fehlen im Vertrag gänzlich.
Migration & Asyl
- Zurückweisung an den Grenzen
- Aussetzen des Familiennachzugs für 2 Jahre
- Aussetzen aller freiwilligen Bundesaufnahmeprogramme, inkl. Ortskräfte aus Afghanistan
- Erweiterung der Liste sicherer Herkunftsländer
- Begrenzung sogenannter irregulärer Migration
- Abschaffen der beschleunigten Einbürgerung
Die Pläne der Koalition sind so schlimm wie befürchtet: Sie stellen den Schutz von Menschen an dritte oder vierte Stelle, testen die Grenzen des Asylrechtes aus und setzen Menschen unwürdigen und bedrohlichen Situationen aus.
Psychische Gesundheit
„Zur Verhinderung weiterer Gewalttaten, wie in der jüngsten Vergangenheit, wollen wir die frühzeitige Erkennung entsprechender Risikopotenziale bei Personen mit psychischen Auffälligkeiten sicherstellen.“
Was dieser Teil meint, wird nicht weiter erläutert. Allerdings hat sich die CDU in der Vergangenheit häufiger zum Thema geäußert: Der CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat vorgeschlagen, ein zentrales Register für psychisch kranke Gewalttäter*innen einzurichten.
Expert*innen rund um die CSU fordern zudem ein Screening Geflüchteter direkt nach der Einreise, um psychische Erkrankungen frühzeitig zu erkennen.
Beides fördert ableistische Stereotype und Einschränkung bzw. Diskriminierung psychisch erkrankter Menschen. Wir können nur hoffen, dass die Koalition den Ausbau der Angebote für mentale Gesundheit ernst und für alle meint.
Wir sind enttäuscht.
Herbe Rückschläge in Klima- und Sozialpolitik werden vieles erschweren. Es wird viel Arbeit, die Politik immer wieder an ihre Verantwortung für Menschen und Klima zu erinnern. Aber wir bleiben dran.